Petra, eines der sieben neuen Weltwunder, zieht jährlich normalerweise eine Million Besucher aus aller Welt an. Reiseführer über Jordanien empfehlen daher, schon um 6 Uhr morgens die in den Felsen gehauene rotbraune Nabatäerstadt zu besichtigen, da sich dann weniger Urlauber drängen. Aktuell aber ist dieser Hinweis unnötig: Vor dem berühmten Schatzhaus bleibt reichlich Platz.
Jordaniens Tourismusindustrie leidet unter dem Nahost-Konflikt. 80 Prozent der Gäste bleiben weg, berichtet Ahmad al-Ghelany, Reiseleiter seit 2007. Mit Wandergruppen ist er in Petra, im Naturreservat Dana und der Fels- und Sandwüste von Wadi Rum an der Grenze zu Saudi-Arabien unterwegs. Viele Camps stehen dort leer, und den Beduinen entgeht ein Nebenverdienst. Sonst kochen sie für Urlauber und transportieren Gepäck im Geländewagen.
Tourismus ist eine sensible Branche. Aus Furcht vor Krieg und Terror bleiben viele Reisende weg, vor allem wegen der Nähe zu Israel. Die Bergketten des Nachbarlands sind östlich dem Grenzfluss Jordan vielerorts am dunstigen Horizont erkennbar, und am Strand der Hafenstadt Akaba blickt man auf die direkt gegenüberliegende israelische Stadt Eilat. Nur 15 Kilometer trennen beide Orte am Roten Meer, wo eine fischreiche Unterwasserwelt und bunte Korallenriffe zum Schnorcheltauchen einladen.
Flüge mit Umweg über die Wüste Sinai
Das Auswärtige Amt rät dringend von Reisen in das Grenzgebiet zu Syrien und zum Irak ab. Anders als früher fliegt die Fluggesellschaft Royal Jordanian nicht mehr die direkte Strecke über Israel oder Syrien in die Hauptstadt Amman, sondern wählt den Umweg über die Wüste Sinai. Die Regionen im Inneren wirken indes sicher.
Jordanien gilt als eines der stabilsten Länder in der arabischen Welt und als vermittelnder Staat im Nahost-Konflikt. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Jordanien und Israel jahrzehntelang verfeindet, doch 1994 legten König Hussein und Regierungschef Jitzchak Rabin den Konflikt bei und schlossen einen Friedensvertrag. Friedlich lebt auch die muslimische Bevölkerungsmehrheit mit der christlichen Minderheit zusammen, die nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz drei Prozent ausmacht.
Auslandstouristen profitieren davon, dass Jordanien gerade weniger gefragt ist. Es ist ein Land voller Kultur- und Naturschätze bietet und mit einer reichhaltigen Vergangenheit: Die Nabatäer schufen in der Antike eine Hochkultur, Petra war eine wichtige uralte Handelsstation an der Weihrauchstraße von Südarabien zum Mittelmeer. Hier kreuzten sich gleich sechs Karawanenstraßen. Östlich des Jordans lebten einst Ammoniter, Edomiter und Moabiter - semitische Völker, die bereits im Alten Testament vorkommen.
Alte Tempelanlagen
Gerasa im Norden Jordaniens ist eine der am besten erhaltenen spätantiken Städte im Nahen Osten; sie gehörte zur sogenannten Dekapolis, im 4. Jahrhundert wurde das Christentum vorherrschend. Säulenstraßen und Tempelanlagen aus der Römerzeit sind zu besichtigen, ebenso Reste byzantinischer Kirchen und Bauten aus der frühislamischen Umayyaden-Zeit.
In der Stille von Wadi Rum lässt sich nachempfinden, wie Jesus in der Wüste 40 Tage gefastet hat. Felswände aus Sandstein und Granit prägen die ebenso karge wie atemberaubende Landschaft. Nachts leuchten darüber in der klaren Wüstenluft Tausende von Sternen und der Mond. Der Tourismus in Wadi Rum hatte in den vergangenen Jahren zugenommen, außer während der Corona-Phase. Sogar Fahrradfahrer sind hier unterwegs. Jetzt aber herrscht wieder eine Krise in der Reisebranche. Wer Wadi Rum verlässt und an der Autobahn eine Raststätte mit Andenkenladen betritt, findet nur gähnende Leere. Vergeblich warten Tücher, Schmuck, Gewürze und andere Mitbringsel auf Käuferinnen und Käufer.
Dabei ist der Herbst neben dem Frühjahr die Hauptsaison in Jordanien, weil es angenehm warm ist, aber nicht zu heiß. Reiseleiter Ahmad al-Ghelany war zwölf Tage mit einer siebenköpfigen Wandergruppe unterwegs. Nach einem Tag Pause erwartete ihn die nächste Gruppe. Zwar reisten nur vier Teilnehmer an. Das sind zwar nicht viele, aber, so der Guide, immer noch besser, als wenn er untätig zu Hause sitzen müsste.